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Veröffentlicht
in: "Zeitschrift für systemische Therapie" Jg. 7, 1989, H.
2.
Auch in: "Ethik und Sozialwissenschaften - Streitforum für Erwägungskultur".
Jg. 2, 1991, H. 2.
M. = Max = Marianne = Mann?
Marianne
Krüll
Eine Unsitte greift
um sich. Zuerst dachte ich, es seien Zufälle. Jetzt ist mir der Verdacht
gekommen, daß es sich um eine - unbewußt oder bewußt
- gegen schreibende Frauen gerichtete sexistische Kampagne handelt, an
der sich tragischerweise auch Frauen selbst beteiligen:
Ich trage den Namen
meines Mannes. Ich könnte meinen Mädchennamen davor setzen,
das ist allerdings auch der Name eines Mannes - meines Vaters. Nur mein
Vorname ist mein eigen und - weiblich. Wenn dieser einzig weibliche Teil
meines Namens auf einen geschlechtsneutralen Buchstaben reduziert wird,
fühle ich mich verstümmelt. Und genau das geschieht in zunehmendem
Maße im wissenschaftlichen Bereich. AutorInnen verwandeln andere
AutorInnen oder auch sich selbst in Neutren. In Literaturlisten ist nicht
mehr zu erkennen, ob ein Buch oder Artikel von einer Frau oder einem Mann
stammt. Sogar die AutorInnen von Beiträgen in Sammelbänden sind
nicht mehr als Frauen oder Männer erkennbar.
Zwar trifft diese
Beschneidung nicht nur uns Frauen, sondern auch die Männer. Aber
da sie - gerade im Wissenschaftsbereich - in der Überzahl sind, geht
jede/r LeserIn erstmal davon aus, daß ein Autor mit gekapptem Vornamen
wohl ein Mann ist. In einem Literaturverzeichnis möchte ich als Leserin
jedoch auf einen Blick erkennen, wen die/der AutorIn, die/den ich gerade
lese, zitiert, ob er/sie überhaupt Frauen zitiert (Zitierkartelle,
d.h. geschlossene Kreise, in denen man sich nur untereinander zitiert,
sind in entscheidendem Maße geschlechtsspezifisch!). Wenn ich die
zitierten Arbeiten schon kenne, weiß ich zwar, ob es sich um eine
Frau oder einen Mann handelt. Bei mir unbekannten AutorInnen möchte
ich aber unbedingt erfahren, welchen Geschlechts sie/er ist, denn ein
Artikel bekommt für mich einen völlig anderen Stellenwert, wenn
er von einer Fau und nicht von einem Mann stammt. Und ich behaupte, daß
es allen LeserInnen genauso geht - ob sie es bewußt wahrnehmen oder
nicht.
Geradezu kriminell
wird es aber, wenn bei Sammelbänden zwar noch die/der HerausgeberIn
mit vollem Namen auf dem Titelblatt erscheint, im Inhaltsverzeichnis,
und dann sogar im laufenden Text dagegen die AutorInnen geschlechtslos
sind. Mühsam kann frau/man zwar meist rekonstruieren, ob eine Sie
oder ein Er schreibt, manchmal geht aber auch das nicht, vor allem, wenn
er/sie sich einer besonders hochgestochenen Wissenschaftssprache bedient,
die sie/ihn als Person völlig unerkennbar macht.
Es gibt inzwischen
Verlage, die die Vornamen-Abkürzung als generelle Regelung eingeführt
haben. Ich frage die RedakteurIinnen, LektorInnen, HerausgeberInnen oder
wer sonst dafür verantwortlich zeichnet: Warum? Aus Ersparnisgründen?
Bringen denn 5-10 oder manchmal ein paar mehr Buchstaben pro Name/Zeile
wirklich so viel? Rationeller wäre es, die Artikel (der, die, das)
mit "d." abzukürzen. Jede/r kann genug Deutsch, um die
richtigen Artikel wieder einzufügen. Einen Vornamen mit dem dazu
gehörenden Geschlecht aber kann ich nicht rekonstruieren. Und wie
schwierig wird es nun, all die Schulzes, Schmidts, Müllers zu unterscheiden,
die denselben Anfangsbuchstaben im Vornamen haben! Also: Warum? Ist mein Verdacht wirklich so weit hergeholt, daß es um die Unsichtbarmachung
von uns Frauen geht?
Ich habe einmal bei
meinem Aufsatz in einem solchen Sammelband darauf bestanden, die von mir
zitierten - vom Verlag um ihren Vornamen betrogenen - Frauen mit einem
Sternchen zu kennzeichnen, was die Lektorin (!) dann auch tat. (vgl. meinen
Beitrag in Almuth Massing und Inge Weber (Hrsg.): Lust und Leid. Springer,
Berlin usw. 1987). Damals schien mir das ein Einzelfall zu sein. Inzwischen
sieht es eher nach Methode aus.
Wir leben in einer
Zeit, in der die feministische Idee inzwischen überall mehr oder
weniger bekannt ist. Im Wissenschaftsbetrieb versucht man(n) nach außen
immer noch, so zu tun, als gäbe es sie nicht, als stünde Wissenschaft
über allem und wäre vollkommen geschlechtsneutral. Soll die
Unhaltbarkeit dieser Behauptung vielleicht durch die Praxis der Namensverstümmelung
verdeckt werden? Will Mann die Gender-Bezogenheit der Wissenschaft
dadurch verleugnen, daß Mann uns Frauen neutralisiert und
damit sich wieder als Maß aller Dinge etabliert?
Ich jedenfalls möchte
nicht für einen "Max Krüll" gehalten werden, der "zufällig"
über feministische Themen schreibt! Und wenn ein Mann sich einmal
mit dem Feminismus auseinandersetzt, will ich ihn als solchen erkennen!
Ich werde von nun an jedem/r AutorIn, HerausgeberIn, Verlag usw., der/die
eine Vornamen-Verstümmelung zugelassen oder zu verantworten hat,
einen Brief schreiben und 1. Um eine Begründung dieser Praxis und
2. Um ihre zukünftige Vermeidung bitten.
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